Wer oder was ist Gott im Vedanta? Ishvara repräsentiert die unpersönliche Ordnung universeller Gesetzmäßigkeiten, ohne göttlichen Willen oder Absicht. Doch könnte es hilfreich sein, unserem Leben ein wohlwollendes Design zuzuschreiben?
Einige Vedanta-Lehrer reagieren sehr empfindlich auf Formulierungen von Schülern,
die Ishvara eine Absicht oder einen Willen zuschreiben. Begriffe wie „Der Wille
Gottes“ oder „die wohlwollende Ordnung“ können für Anfänger im Vedanta
irreführend sein, da sie dazu neigen, Ishvara zu personifizieren und ihm eine bewusste
Intention zu unterstellen. Nach der Auffassung dieser Lehrer ist Ishvara vielmehr die
unpersönliche Ordnung, die sich in Gesetzmäßigkeiten, Prinzipien und
Kausalzusammenhängen manifestiert. In diesem Kontext wird oft über "Gott im Vedanta" diskutiert, wobei betont wird, dass es sich nicht um einen persönlichen Gott handelt. Phänomene wie Schwerkraft und Thermodynamik wirken einfach, ohne dass man ihnen eine positive oder negative Absicht zuschreiben kann. Die Aussage, dass Ishvara wohlwollend sei, bleibt bestenfalls ein Glaubenssatz; denn in Bezug auf unpersönliche Gesetze ist jede Zuschreibung von Willen objektiv betrachtet unangemessen. Nur Personen können einen Willen haben – Gesetze hingegen nicht.
Gott im Vedanta: Der Glaube an eine wohlwollende Ordnung
Einige andere Vedanta-Lehrer erweitern diese Perspektive durch einen pragmatischen
Ansatz. Sie lehren, dass es keine absoluten richtigen oder falschen Glaubenssätze
gibt, sondern lediglich hilfreiche und weniger hilfreiche. Der Glaube an eine
„wohlwollende Ordnung“ kann tatsächlich als nützlich erachtet werden. Doch was
bringt uns dieser Glaube? Viele Menschen neigen dazu, pessimistisch zu denken. Sie
antizipieren Katastrophenszenarien, bereiten sich auf den „Ernstfall“ vor und
projizieren auf andere niedere Motive sowie versteckte Agenden. Eine gesunde
Vorsicht im Leben ist zwar vorteilhaft, doch Vorstellungen von der „Niedertracht und
Selbstsucht der Welt“ sind sicherlich nicht förderlich für ein entspanntes und
hoffnungsvolles Dasein.
Es ist daher wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Leben oft wohlwollender ist,
als wir annehmen. Der Sinn der Schöpfung liegt in der Evolution: Die wertvollen
Lernerfahrungen, Wachstumschancen und unterstützenden Begegnungen werden
sich zur rechten Zeit offenbaren. Darauf können wir vertrauen. Die Schöpfung ist nicht
böse oder darauf ausgelegt, uns das Leben schwer zu machen. In dieser Einsicht
unterscheidet sich Vedanta grundlegend von der christlich-gnostischen Lehre, die
von einem bösen Schöpfergott (Demiurg) ausgeht, der die Menschen verführt.
Um unsere Lernerfahrungen zu erkennen, zu nutzen und daraus zu lernen, bedarf es
des Einsatzes unseres freien Willens, um die sich bietenden Wachstumsmöglichkeiten
wahrzunehmen. Der Glaube an eine „wohlwollende Ordnung“ erweist sich auch im
praktischen Kontext von Bhakti und Upasana als vorteilhaft. Wenn ich Puja vollziehe,
bete, Mantras rezitiere oder mich in stiller Andacht vertiefe, wende ich mich auf ganz
persönliche Weise an Ishvara. In diesen Momenten teile ich meine innersten
Emotionen mit ihm – ich klage, bitte und hoffe auf eine Antwort.
Als Vedantin bin ich mir bewusst, dass Ishvara keine Person ist, keinen Geist hat und
keinen Willen besitzt. Dennoch personifiziere ich Ishvara in diesen Praktiken und
erkenne, dass ich dabei letztlich mit meinem eigenen Geist spiele. Möglicherweise
lässt sich ein Devata darauf ein und bringt mir die Früchte meines Karmas. Diese
Handlungen bringen nicht nur die Gnade Ishvaras mit sich, sondern haben auch einen
erheblichen therapeutischen Nutzen. Wissenschaftliche Studien zeigen beispielsweise,
dass Christen, die sich auf diese Weise an Jesus wenden, seltener an Depressionen
erkranken.
Gott im Vedanta - Zwischen Herausforderungen und wohlwollendem Design
Katastrophen, Zerstörung, Krieg, Verbrechen und Unfälle sind unvermeidliche
Realitäten unseres Lebens. Dennoch wird die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens oft
überschätzt. Dies erklärt auch den Wohlstand von Versicherungsunternehmen in
unserer Gesellschaft; sie wissen genau, dass letztlich weitaus weniger schiefgeht als
viele Menschen erwarten.
Es ist wichtig zu erkennen, dass wir nur in Beziehung zueinander wachsen, heilen und
lernen können. Kein Baby muss prosoziales Verhalten erlernen, und keine Mutter
muss lernen, wie man ein Kind liebevoll nährt – solche Fähigkeiten sind im Menschen
normalerweise angelegt. Das ist Dharma. Dieser Geist der Kooperation erstreckt sich
über einzelne Spezies hinaus. In den sozialen Medien sah ich einmal ein Video von
einem Hund, der einem auf dem Trockenen liegenden Fisch Wasser zuschöpfte. Ist es
also so falsch anzunehmen, dass es ein „wohlwollendes Design“ gibt?
Selbstverständlich sind die Schattenseiten des Lebens ebenso real. Letztendlich lässt
sich jedoch mit Gewissheit sagen, dass die Ordnung nur dann als wohlwollend
betrachtet werden kann, wenn wir im Einklang mit den Gesetzmäßigkeiten arbeiten.
In diesem Zusammenspiel liegt unser Erfolg und unsere persönliche Entwicklung.
Alles andere sind Glaubenssätze, die man annehmen kann, aber nicht zwingend
annehmen muss.
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