Hass, Trauer, Angst und Wut: Jeder von uns wirft einen Schatten. Wie können wir als spirituell Suchende unsere Schattenseiten am besten angehen? Sollte man versuchen, sie zu überwinden oder ist psychologische Arbeit sinnvoller? Eine Annäherung von Vedanta und Psychologie.
Apasmara – unsere inneren Dämonen
“Wo ist Simon?”, fragte Saraswati Devi. “Ich habe ihn am See gesehen. Er schien sehr aufgewühlt zu sein und braucht wohl etwas Zeit, um die Lehren des Vedanta zu verarbeiten”, antwortete jemand. Saraswati nickte verständnisvoll. “Diese Lehre ist so tiefgründig, dass sie nicht einfach an einem vorbeigehen kann. Plötzlich werden alle emotionalen und psychischen Probleme, der unterdrückte Schmerz und die Schuldgefühle, die uns daran hindern, unsere wahre Natur zu erkennen, zum Thema.”
Simon hatte sich heute Morgen nach der Meditation plötzlich verabschiedet. Saraswati hatte uns die Symbolik von Shiva erklärt, der mit seinen Füßen den Dämonen Apasmara im Zaum hält. Apasmara steht für unsere Schattenanteile und all die unterdrückte Schuld und den psychologischen Schmerz, mit denen wir uns immer wieder selbst verletzen. Simon konnte nicht akzeptieren, dass Shiva den Dämonen nicht einfach beseitigt.
Simon war jedoch nicht der Einzige in unserer Gruppe, der an psychologischen Themen arbeiten musste. Einige von uns zogen sich während der Mittagspause zurück, um zu schreiben, zu reflektieren oder einen längeren Spaziergang zu machen.
Die Verbindung zwischen Vedanta und Psychologie
Anstatt diesem spirituellen Himmel, kamen plötzlich Kindheitserinnerungen, Wut, Trauer, Misstrauen, Projektionen und andere unerwünschte Eindrücke in mein Bewusstsein. Obwohl es mir immer noch gelang, mich unter Kontrolle zu halten und der Vedanta-Lehre zuzuhören, fragte ich mich, ob das im Moment überhaupt einen Sinn machte. Ich wollte mehr über die Verbindung zwischen Psychologie und Vedanta erfahren. Nach dem Abendessen sprach ich meine Lehrerin und Freundin Saraswati dauf an.
“Mein Guru hatte damals 15 Jahre lang Vedanta in Indien gelehrt und war davon überzeugt, dass diese Lehren so kraftvoll waren, dass jeder aufrichtige Schüler mit der richtigen Anleitung erleuchtet werden konnte. Doch als er dann 1976 in den Westen kam, stellte er bald fest, dass viele dieser Schüler erhebliche emotionale und psychologische Hindernisse hatten, die ihrem spirituellen Wachstum im Wege standen.”
“Und was hat Swamiji dann gemacht?”, fragte ich neugierig. “Er integrierte psychotherapeutische Techniken in die Vedanta-Meditationen und passte seine Lehren an die westliche Psyche an. Während dieser Lehre entdeckten die Schüler Ishvara, die allumfassende wohlwollende Ordnung, an die sie sich wie an einen Therapeuten wenden konnten. Indem man während des Gebets die emotionale, ethische und psychologische Ordnung unserer Probleme anerkennt, versteht und akzeptiert, kann Vergebung und Heilung stattfinden.”
Psychologisches Wachstum ist unabdingbar
“Saraswati, wäre es dann nicht besser, Psychologie zu studieren, anstatt Vedanta?”, fragte ich. “Die Rishis haben nicht wirklich zwischen psychologischem und spirituellem Wachstum unterschieden. Sie hatten keine eigenständige Praxis der Psychologie. Psychologisches Wachstum ist eine Voraussetzung für spirituelles Wachstum. Wir können dies als ein Kontinuum betrachten.”
“Am äußersten linken Ende des Kontinuums befindet sich die Pathologie (Psychose, Schizophrenie, Bipolarität, Depression). Daneben finden wir normale emotionale Probleme (Traurigkeit, Frustration, Wut). Und in der Mitte finden wir das “normale” Verhalten (das, was wir alle als konventionell betrachten). Aber wer sagt denn, dass normal das Beste ist, was wir erreichen können?”
“Auf der rechten Seite des Kontinuums, ausgehend von der Mitte, befindet sich die extrem reife Person – jemand, der so widerstandsfähig ist, dass er selbst bei einer Katastrophe nicht aus der Ruhe gebracht wird. Dies ist das Ergebnis eines echten geistigen Wachstums. Und am äußersten rechten Ende des Kontinuums haben wir den Mahatma, die vollkommen liebende und erleuchtete Seele, die von nichts aus der Ruhe gebracht werden kann.”
In der Psychologie gibt es keine Lösung. Im Vedanta gibt es kein Problem.
“Wieso verleugnen so viele Vedantins ihre emotionalen und psychologischen Bedürfnisse?”, fragte ich Saraswati. Sie antwortete zum ersten Mal mit einer Spur von Besorgnis: “Viele Menschen behandeln Vedanta wie Kinder und glauben, dass sie erleuchtet sind, wenn sie verstehen, dass sie nicht der Körper und der Geist sind. Oft folgt daraufhin ein ‘spirituelles Bypassing’.”
“Wenn ich die richtige vedantische Perspektive habe, verstehe ich, dass mein Körper und mein Geist Bedürfnisse haben, aber sie sind nicht meine Bedürfnisse – ich bin vollständig. Mein Körper, mein Geist und meine Emotionen brauchen Nahrung und Heilung. Wenn echte spirituelle Weisheit vorhanden ist, erkennen wir unsere Menschlichkeit an und die menschlichen Bedürfnisse des physischen Körpers und der Psyche.”
“Ein spirituell reifer Mensch erkennt, dass dies normale Bedürfnisse sind und dass es sogar Dharma ist, dafür zu sorgen, dass der Körper und die Psyche nicht geschädigt werden. Dharma bedeutet Ahimsa (Nicht-Verletzen). Und das gilt gleichermaßen für den eigenen Körper und Geist.”
Nachdenklich verließ ich das Retreat am Wochenende. Jemand hatte mir die Adresse einer erfahrenen Therapeutin gegeben, die auch den dreijährigen Vedanta-Kurs in Indien absolviert hatte. Ich beschloss, meinen Stolz zu überwinden und sie zu kontaktieren.
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